Berechnung des Zugewinnausgleichs bei der Scheidung

berechnung des zugewinnausgleichs bei scheidung

Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste im Überblick

Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs wird zunächst für jeden Ehepartner der individuelle Zugewinn ermittelt, indem vom Endvermögen (Vermögen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags) das indexierte Anfangsvermögen (Vermögen zu Beginn der Ehe, angepasst an die Inflation) abgezogen wird. Ist der Zugewinn eines Partners größer als der des anderen, steht dem Partner mit dem geringeren Zugewinn die Hälfte der Differenz als Ausgleichsforderung zu. Diese Formel sorgt dafür, dass beide Partner zu gleichen Teilen am wirtschaftlichen Erfolg der Ehegemeinschaft partizipieren, unabhängig davon, wer formal Eigentümer der Vermögenswerte ist.

Die standardmäßige Berechnung des Zugewinnausgleichs wird durch verschiedene Sonderfälle komplexer. So werden Erbschaften und Schenkungen, die während der Ehe erhalten wurden, dem Anfangsvermögen hinzugerechnet und bleiben damit vom Ausgleich verschont. Illoyale Vermögensminderungen, wie Schenkungen an Dritte ohne Zustimmung des Partners oder Vermögensverschwendung, werden hingegen dem Endvermögen wieder hinzugerechnet. Bei Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien ist eine professionelle Bewertung unerlässlich, da subjektive Einschätzungen zu erheblichen Differenzen führen können. Diese Sonderfälle machen deutlich, warum die Berechnung des Zugewinnausgleichs oft fachkundige Beratung erfordert. 

Wenn aus Gemeinsam wieder Meins wird

Eine Scheidung bedeutet nicht nur das emotionale Ende einer Beziehung, sondern bringt auch die komplexe Aufgabe mit sich, das während der Ehe erworbene Vermögen gerecht aufzuteilen. Der Zugewinnausgleich ist dabei ein zentrales Element im deutschen Familienrecht, das sicherstellen soll, dass beide Partner angemessen am wirtschaftlichen Erfolg der Ehegemeinschaft partizipieren.

Haben Sie während Ihrer Ehe gemeinsam ein Haus gebaut, Vermögen angespart oder berufliche Karrieren aufgebaut? Vielleicht hat ein Partner zugunsten der Kindererziehung beruflich zurückgesteckt, während der andere seine Karriere vorantreiben konnte? Der Zugewinnausgleich berücksichtigt diese unterschiedlichen Lebensrealitäten und sorgt dafür, dass beide Partner fair behandelt werden.

Rechtliche Grundlagen des Zugewinnausgleichs

Der gesetzliche Güterstand und seine Bedeutung

Der Zugewinnausgleich basiert auf dem Konzept des „gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft“. Dieser tritt automatisch in Kraft, wenn Ehepartner keinen Ehevertrag mit abweichenden Regelungen geschlossen haben. Trotz des irreführenden Namens „Zugewinngemeinschaft“ bleibt das Vermögen beider Partner während der Ehe getrennt – jeder bleibt Eigentümer seines Vermögens und haftet grundsätzlich nur für seine eigenen Schulden.

Die entscheidenden Paragraphen für den Zugewinnausgleich finden sich in den §§ 1372-1390 BGB. § 1378 Abs. 1 BGB definiert den zentralen Grundsatz: „Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu.“

Anfangsvermögen und Endvermögen: Die Berechnungsgrundlage

Das Kernkonzept des Zugewinnausgleichs besteht in der Erfassung und Bewertung von:

  1. Anfangsvermögen (§ 1374 BGB): Das Vermögen, das einem Ehegatten beim Eintritt in den gesetzlichen Güterstand gehört, nach Abzug der Verbindlichkeiten.
  2. Endvermögen (§ 1375 BGB): Das Vermögen, das einem Ehegatten bei der Beendigung des Güterstands gehört, nach Abzug der Verbindlichkeiten.

Die Formel des Zugewinnausgleichs: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Schritt 1: Ermittlung des Zugewinns jedes Ehepartners

Für jeden Ehepartner wird der individuelle Zugewinn ermittelt:

Zugewinn = Endvermögen – indexiertes Anfangsvermögen

Ist das Ergebnis negativ, wird der Zugewinn mit Null angesetzt (§ 1378 Abs. 2 BGB). Ein „negativer Zugewinn“ – also ein Vermögensverlust – muss nicht ausgeglichen werden.

Schritt 2: Vergleich der Zugewinne beider Ehepartner

Die Zugewinne beider Partner werden miteinander verglichen. Die Ausgleichsforderung ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag.

Ausgleichsforderung = (Höherer Zugewinn -Niedrigerer Zugewinn) ÷ 2

Der Partner mit dem geringeren Zugewinn hat gegen den Partner mit dem höheren Zugewinn einen Anspruch auf die Hälfte der Differenz.

Schritt 3: Berücksichtigung von Sondervermögen und Ausnahmen

Nicht alles Vermögen wird in die Berechnung einbezogen. Bestimmte Vermögenswerte können als „privilegiertes Anfangsvermögen“ nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden:

  • Vermögen, das nach Eintritt in den Güterstand durch Erbschaft oder Schenkung erworben wurde
  • Ausstattungen aus dem Vermögen der Eltern
  • Schmerzensgeld und ähnliche immaterielle Entschädigungen

Schritt 4: Berücksichtigung von illoyalen Vermögensminderungen

Um Manipulationen vorzubeugen, werden bestimmte Vermögensminderungen dem Endvermögen wieder hinzugerechnet (§ 1375 Abs. 2 BGB):

  • Schenkungen an Dritte ohne Zustimmung des anderen Ehepartners
  • Vermögensverschwendung
  • Handlungen in Schädigungsabsicht

Vermögensbewertung: Wie wird mein Vermögen berechnet?

Die korrekte Bewertung des Vermögens ist oft der komplexeste Teil des Zugewinnausgleichs. Hier sind die wichtigsten Vermögensarten und ihre Bewertungsregeln:

Immobilien und Grundstücke

Immobilien werden zum Verkehrswert (Marktwert) bewertet. Dieser wird in der Regel durch ein Gutachten festgestellt. Dabei werden drei Bewertungsverfahren angewandt:

  • Vergleichswertverfahren (Orientierung an vergleichbaren Objekten)
  • Ertragswertverfahren (bei vermieteten Objekten)
  • Sachwertverfahren (Reproduktionskosten abzüglich Alterswertminderung)

Wichtig ist die Berücksichtigung von Belastungen wie Hypotheken oder Grundschulden, die das Vermögen mindern.

Unternehmensbeteiligungen und Selbständigkeit

Besonders komplex ist die Bewertung von Unternehmensbeteiligungen und selbständigen Tätigkeiten. Hier kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz:

  • Ertragswertmethode (Kapitalisierung künftiger Erträge)
  • Substanzwertmethode (Sachwerte abzüglich Schulden)
  • Kombinierte Methoden (z.B. Stuttgarter Verfahren)

Versicherungen und Altersvorsorge

Die Bewertung von Versicherungen und Altersvorsorge richtet sich nach dem Rückkaufswert oder dem Fortführungswert zum Stichtag. Bei der betrieblichen Altersversorgung und bestimmten gesetzlichen Anwartschaften gelten Sonderregeln.

Weitere Vermögenswerte

Neben den genannten Hauptvermögensarten sind auch folgende Werte zu berücksichtigen:

  • Bankguthaben und Wertpapierdepots
  • Fahrzeuge und andere bewegliche Gegenstände von erheblichem Wert
  • Kunst, Sammlungen, Schmuck und andere Wertgegenstände
  • Ansprüche gegen Dritte

Praktische Tipps für Betroffene

Dokumentation ist das A und O

Bewahren Sie alle relevanten Unterlagen auf, die Ihr Vermögen zu Beginn der Ehe belegen können:

  • Kontoauszüge vom Zeitpunkt der Eheschließung
  • Nachweise über Immobilienbesitz und deren Wert
  • Dokumentation von Krediten und Verbindlichkeiten
  • Nachweise über erhaltene Schenkungen und Erbschaften

Je besser Ihre Dokumentation, desto einfacher ist später die Berechnung des Zugewinnausgleichs.

Frühzeitige Beratung kann tausende Euro sparen

Eine frühzeitige rechtliche Beratung hilft, kostspielige Fehler zu vermeiden. Besonders bei komplexen Vermögensverhältnissen oder Unternehmensbeteiligungen ist eine fachkundige Beratung unerlässlich.

Wann ein Ehevertrag sinnvoll sein kann

In bestimmten Situationen kann es sinnvoll sein, den gesetzlichen Güterstand durch einen Ehevertrag zu modifizieren oder ganz auszuschließen:

  • Bei großen anfänglichen Vermögensunterschieden
  • Bei Unternehmern und Selbständigen
  • Bei zu erwartenden Erbschaften
  • Bei Eheschließung in höherem Alter

Ein Ehevertrag muss notariell beurkundet werden und kann auch während der Ehe noch geschlossen werden.

Die Auskunftspflicht und ihre Durchsetzung

Beide Ehepartner sind verpflichtet, sich gegenseitig vollständig über ihr Vermögen zu informieren (§ 1379 BGB). Diese Auskunftspflicht umfasst:

  • Eine vollständige Aufstellung des Vermögens
  • Belege über Vermögenswerte und Schulden
  • Angaben zu Vermögensverschiebungen

Bei Verdacht auf unvollständige Auskunft kann diese gerichtlich erzwungen werden, notfalls durch eine eidesstattliche Versicherung.

Der Weg zu einem fairen Vermögensausgleich

Die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist ein komplexes Verfahren, das eine sorgfältige Vorbereitung und oft auch rechtlichen Beistand erfordert. Mit dem richtigen Wissen und einer guten Dokumentation können Sie jedoch sicherstellen, dass Ihre finanziellen Interessen gewahrt bleiben.

Der Zugewinnausgleich soll keine Bestrafung sein, sondern eine faire Aufteilung der während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwächse ermöglichen. Im Idealfall einigen sich die Ehepartner einvernehmlich über den Ausgleich, was Kosten spart und emotionale Belastungen reduziert.

Eine Scheidung bedeutet immer einen Neuanfang – mit einer fairen Vermögensaufteilung schaffen Sie die finanzielle Grundlage dafür.

Häufig gestellte Fragen

Nein, der Zugewinnausgleich bezieht sich nur auf den während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachs, nicht auf das Gesamtvermögen. Ausgeglichen wird lediglich die Differenz der Zugewinne beider Partner, und davon auch nur die Hälfte.
Ja, private Altersvorsorge wie Lebensversicherungen oder private Rentenversicherungen werden mit ihrem Rückkaufswert zum Stichtag berücksichtigt. Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung fallen dagegen unter den separaten Versorgungsausgleich.
Entscheidend ist, wer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Bei einem gemeinsamen Eigentum gehört jedem Partner die Hälfte des Nettowerts (Verkehrswert abzüglich Schulden). Ist nur ein Partner Eigentümer, fließt das Haus komplett in dessen Vermögensbilanz ein.
Theoretisch ja, praktisch ist dies aber nur bei sehr einfachen Vermögensverhältnissen ratsam. Bei komplexeren Fällen oder Uneinigkeit zwischen den Partnern ist professionelle Hilfe dringend zu empfehlen, um kostspielige Fehler zu vermeiden.
Solche „illoyalen Vermögensminderungen“ können nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen wieder hinzugerechnet werden, wenn sie in den letzten zehn Jahren vor dem Ende des Güterstands und ohne Zustimmung des anderen Partners erfolgten.
Die Ausgleichsforderung verjährt innerhalb von drei Jahren ab Rechtskraft der Ehescheidung (§ 195, § 199 BGB) zum Ende des Jahres. Es empfiehlt sich jedoch, den Anspruch möglichst zeitnah geltend zu machen.
In Ausnahmefällen ist ein vorzeitiger Zugewinnausgleich möglich, etwa bei längerer Trennung ohne Aussicht auf Versöhnung, bei erheblichen Vermögensgefährdungen oder wenn der andere Ehegatte wirtschaftlich unverantwortlich handelt (§ 1385 BGB).
Die Bewertung erfolgt in der Regel nach dem Ertragswertverfahren, das die zukünftigen Erträge des Unternehmens berücksichtigt. Hierfür ist ein spezialisierter Gutachter erforderlich. Der „Goodwill“ (immaterielle Wert) des Unternehmens wird dabei berücksichtigt.
Ein Ehevertrag kann den gesetzlichen Güterstand modifizieren oder vollständig ausschließen. Möglich sind z.B. der Ausschluss bestimmter Vermögenswerte vom Zugewinnausgleich oder die Vereinbarung einer anderen Aufteilungsquote als 50:50.
Ja, bei Liquiditätsproblemen des ausgleichspflichtigen Partners kann das Gericht Ratenzahlung bewilligen (§ 1382 BGB). Auch eine einvernehmliche Ratenzahlung ist möglich. In Ausnahmefällen kann die Ausgleichsforderung auch durch Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände erfüllt werden.
Über den Autor:
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Christina Spohr
Rechtsanwältin Christina Spohr ist seit 2006 Rechtsanwältin und seit 2014 auch Fachanwältin für Familienrecht. Sie betreut ihre Mandanten rund um das Rechtsgebiet Familienrecht. Ihre Spezialgebiete sind u.a. Ehescheidung, Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Vermögensauseinandersetzung und Zugewinn. Mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl vertritt Frau Rechtsanwältin Spohr Sie in familienrechtlichen Belangen – glücklicherweise nicht nur in der dramatischen Scheidungsphase einer Ehe, sondern auch bei vertraglichen Angelegenheiten vorab, wie bspw. der Erstellung eines Ehevertrags.
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