Notvertretungsrecht des Ehegatten (§1358 BGB)

Notvertretungsrecht des Ehegatten (§1358 BGB),Notvertretungsrecht,Ehegatte,Ehemann,Ehefrau,§1358 BGB

Inhaltsverzeichnis

 § 1358 BGB – Endlich hat der Gesetzgeber zum 01.01.2023 ein Notvertretungsrecht des Ehegatten eingeführt. Erfahren Sie jetzt alles über das Notvertretungsrecht des Ehegattens. Verfasst wurde der Artikel von Fachanwältin für Familienrecht Christina Spohr aus Neckarsulm. 

 

Einführung und Gesetzeswortlaut

Wenn man sich unter Nichtjuristen umgehört hat, wurde meistens auf die Frage, ob man seinen Ehepartner im Falle einer schwerwiegenden Erkrankung oder eines Komas gegenüber den behandelnden Ärzten vertreten darf, mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Insbesondere gingen die Ehegatten in der Regel davon aus, dass die Ärzte Ihnen gegenüber von der Schweigepflicht in Bezug auf den anderen Ehegatten entbunden sind. Bis zum 31.12.2022 war dies nicht so.

Viele Paare durften das am eigenen Leib erfahren und standen oftmals ohne jegliche Information über den Gesundheitszustand Ihres Partners, mit dem sie vielleicht schon mehr als 50 Jahre verheiratet waren, vor verschlossenen Krankenhaustüren. Der Gesetzgeber hat nun bemerkt, wie viele Menschen wohl diesem Irrtum unterliegen und hat zum 01.01.2023 den neuen § 1358 BGB eingeführt. Dort heißt es nun:

  1. Kann ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen (vertretener Ehegatte), ist der andere Ehegatte (vertretender Ehegatte) berechtigt, für den vertretenen Ehegatten
  2. in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einzuwilligen oder sie zu untersagen sowie ärztliche Aufklärungen entgegenzunehmen,
  3. Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abzuschließen und durchzusetzen,
  4. über Maßnahmen nach § 1831 Absatz 4 zu entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet, und
  5. Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, geltend zu machen und an die Leistungserbringer aus den Verträgen nach Nummer 2 abzutreten oder Zahlung an diese zu verlangen.
  6. Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 und hinsichtlich der in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Angelegenheiten sind behandelnde Ärzte gegenüber dem vertretenden Ehegatten von ihrer Schweigepflicht entbunden. Dieser darf die diese Angelegenheiten betreffenden Krankenunterlagen einsehen und ihre Weitergabe an Dritte bewilligen.

 

Was darf der Ehegatte jetzt aufgrund dieses Gesetzestextes nun für seinen Partner tun?

Wenn ein Ehegatte z. B. aufgrund eines Unfalls oder einer anderen Erkrankung nicht mehr dazu in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten gegenüber seinen behandelnden Ärzten, aber auch gegenüber seiner Krankenkasse, Kliniken oder ähnlichen Einrichtungen (Reha- und/ oder Kurklinik) zu regeln, dann darf der andere Ehegatte für die Dauer von maximal 6 Monaten seine Interessen in Bezug auf die Gesundheitsfürsorge regeln. Dauert der Zustand des erkrankten Ehegatten länger an und existiert keine Vorsorgevollmacht, muss eine Betreuung für den erkrankten Ehegatten eingerichtet werden.

 

Was aber ist unter Gesundheitsfürsorge zu verstehen?

Der Ehegatte, dem das Notvertretungsrecht zusteht, darf

  • in ärztliche Untersuchungen einwilligen
  • ärztlichen Eingriffen (z. B. Operationen) zustimmen oder auch ablehnen
  • Patientenakten einsehen
  • Behandlungsverträge abschließen
  • In freiheitsentziehende Maßnahmen in der Klinik oder anderen Einrichtung zustimmen, wenn die freiheitsentziehende Maßnahme nicht länger als 6 Wochen andauert
  • Gegenüber Dritten Ansprüche geltend machen, die im Zusammenhang mit dem Zustand des anderen Ehegatten stehen (z. B. Schmerzensgeld, Schadensersatzansprüche)
  • Abtretungserklärungen an Krankenkasse abgeben

Anhand des Gesetzestextes lässt sich klar erkennen, dass dieses Notvertretungsrecht nur im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge besteht, nicht aber für andere Angelegenheiten, wie z. B. Postangelegenheiten oder Vermögensangelegenheiten. Hierfür benötigt der Ehegatte weiterhin eine ausdrückliche Bevollmächtigung in Form einer Vorsorgevollmacht, die sinnvollerweise notariell beurkundet sein sollte.

 

Gibt es Ausnahmen vom Notvertretungsrecht des Ehegatten?

Der Gesetzgeber hat in Absatz 3 des § 1358 BGB aber auch Ausnahmen vom Notvertretungsrecht definiert. Dort heißt es:

Die Berechtigungen nach den Absätzen 1 und 2 bestehen nicht, wenn

  1. die Ehegatten getrennt leben,
  2. dem vertretenden Ehegatten oder dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte
  3. a) eine Vertretung durch ihn in den in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Angelegenheiten ablehnt oder
  4. b) jemanden zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat, soweit diese Vollmacht die in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angelegenheiten umfasst,
  5. für den vertretenen Ehegatten ein Betreuer bestellt ist, soweit dessen Aufgabenkreis die in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angelegenheiten umfasst, oder
  6. die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht mehr vorliegen oder mehr als sechs Monate seitdem durch den Arzt nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 festgestellten Zeitpunkt vergangen sind.

Sind die Ehegatten also getrenntlebend oder weiß der behandelnde Arzt positiv, dass der vertretene Ehegatte die Vertretung durch seinen Ehepartner ablehnt, gilt das Notvertretungsrecht ebenso wenig, wie wenn der vertretene Ehegatte bereits einen anderen bevollmächtigt hat oder aber eine rechtliche Betreuung für die Gesundheitsvorsorge besteht.

 

Das Notvertretungsrecht gilt maximal 6 Monate und was dann?

Problematisch kann die 6- Monatsfrist werden, da schwerwiegende Erkrankungen oder auch ein Koma weit länger andauern kann, als 6 Monate. Deshalb ist es auch nach der neuen gesetzlichen Regelung sinnvoll, weiterhin Vorsorgevollmachten für den anderen Ehegatten zu erstellen um nicht von den v. g. Ausnahmefällen betroffen zu sein. Besteht eine solche Vorsorgevollmacht nicht, muss nach Ablauf der 6 Monate eine Betreuung eingerichtet werden.

 

Wann sind die 6 Monate abgelaufen bzw. wann beginnt die 6- Monats- Frist zu laufen? Wie weise ich die Frist nach?

Der Ehegattenvertreter muss das ihm zustehende Notvertretungsrecht gegenüber dem behandelnden Arzt geltend machen. Tut er dies, muss der Arzt ihm schriftlich bestätigen, dass bei dem Ehegatten, der vertreten werden soll, der Zustand vorliegt, der das Notvertretungsrecht auslöst. Ebenso muss der Arzt den Zeitpunkt schriftlich fixieren, ab dem das Notvertretungsrecht gilt.  Es muss also eine Bewusstlosigkeit oder Krankheit vorliegen, die den Ehegatten in den Zustand versetzt, dass er seine Gesundheitsfürsorge nicht mehr selbst ausüben kann. Das Dokument des Arztes muss alle Voraussetzungen des Notvertretungsrechtes bestätigen und auch eventuelle Ausnahmen enthalten. Darüber hinaus muss der Arzt sich vom Vertreter schriftlich bestätigen lassen, dass er das Notvertretungsrecht noch nicht ausgeübt hat und dass nach seiner Kenntnis kein Ausschlussgrund vorliegt. Das vom Arzt erstellte Schriftstück hat dieser dem Vertreter auszuhändigen, damit der Vertreter einen Nachweis für sein Notvertretungsrecht hat. Der Notvertreter muss dieses Schriftstück bei allen Maßnahmen, die er für seinen Ehegatten im Zusammenhang mit der Gesundheitsvorsorge tätig vorlegen. Aus dem Bestätigungsschreiben ergibt sich der Zeitpunkt, ab dem das Notvertretungsrecht gilt. Ab diesem Zeitpunkt darf der Ehegattenvertreter sein Notvertretungsrecht für die Dauer von 6 Monaten ausüben.

 

Warum ist es sinnvoll trotz des neuen Notvertretungsrechtes dennoch eine Vorsorge- und Betreuungsvollmacht zu erstellen?

Wie zuvor ausgeführt, gilt das Notvertretungsrecht zum einen nur für die Gesundheitsfürsorge und zum anderen nur für die Dauer von 6 Monaten. Eine Vorsorgevollmacht gilt demgegenüber bis auf Widerruf und umfasst die Vertretung in allen Bereichen. Ein Ehegatte, der sich in einem Zustand der Bewusstlosigkeit oder sonstigen schweren Erkrankung befindet, wird nicht nur seine Gesundheitsfürsorge nicht mehr alleine regeln können, sondern auch nicht mehr seine Vermögensangelegenheiten. Ist er z. B. Unternehmer kann er keine unternehmerischen Entscheidungen mehr treffen. Mit einer Vorsorgevollmacht übernimmt das dann eine von ihm ausgewählte Person, die nicht zwingend der Ehegatte sein muss. Die kann dann alle Geschäfte für den Vollmachtgeber erledigen. Das ist durch das Notvertretungsrecht nicht möglich. Im schlimmsten Fall erhält dann ein Berufsbetreuer, der im Zweifel das Unternehmen und dessen Gepflogenheiten gar nicht kennt, durch das Betreuungsrecht die Aufgabe das Unternehmen anstelle des erkrankten Ehegatten zu führen. Das kann gutgehen, muss es aber nicht. Aus diesem Grund sollte trotz der neuen Gesetzgebung eine Vorsorgevollmacht erstellt werden, damit nicht fremde Dritte für den Ehegatten entscheiden.

 

Fazit Notversorgungsrecht des Ehegattens

Auch wenn der Gesetzgeber mit Einführung des § 1358 BGB eine Regelung im Bereich der Gesundheitsfürsorge getroffen hat, die den Vorstellungen der überwiegenden Bevölkerung in Deutschland entspricht, hilft diese dennoch nicht bei allen Lebenssituationen. Man benötigt im Notfall eben nicht nur einen Vertreter für die Gesundheitsfürsorge, sondern auch für die anderen Aufgabenbereiche, wie z. B. die Vermögenssorge. Deshalb besser vorsorgen und schon frühzeitig eine Vorsorge- und Betreuungsvollmacht erstellen.

Über den Autor:
Picture of Christina Spohr
Christina Spohr
Rechtsanwältin Christina Spohr ist seit 2006 Rechtsanwältin und seit 2014 auch Fachanwältin für Familienrecht. Sie betreut ihre Mandanten rund um das Rechtsgebiet Familienrecht. Ihre Spezialgebiete sind u.a. Ehescheidung, Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Vermögensauseinandersetzung und Zugewinn. Mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl vertritt Frau Rechtsanwältin Spohr Sie in familienrechtlichen Belangen – glücklicherweise nicht nur in der dramatischen Scheidungsphase einer Ehe, sondern auch bei vertraglichen Angelegenheiten vorab, wie bspw. der Erstellung eines Ehevertrags.
Das sagen Mandanten über uns
Beitrag teilen:
Weitere spannende Artikel für Sie:
Nach oben scrollen