Die meisten Menschen werden erstmals im Zusammenhang mit ihrer Ehescheidung mit dem Versorgungsausgleich konfrontiert. In fast allen Fällen wissen die Scheidungskandidaten nicht, was das Wort Versorgungsausgleich überhaupt bedeutet und welche finanziellen Folgen es für sie hat. In diesem Ratgeber erklärt Ihnen Fachanwältin für Familienrecht Christina Spohr, was Sie über den Versorgungsausgleich wissen sollten!
Versorgungsausgleich: Eine Einführung
Da es sich bei der Ehe um eine sogenannte Solidargemeinschaft handelt, ist der Gesetzgeber der Auffassung, dass auch alle Rentenanwartschaften, die Ehepaare während der Ehe erwirtschaftet haben, hälftig untereinander aufgeteilt werden müssen. Beim Versorgungsausgleich werden also alle Ansprüche auf Versorgung und Rente so zwischen den Ehegatten aufgeteilt, dass beide Ehegatten nach der Ehescheidung gleich viele Versorgungsanrechte oder Rentenanwartschaften haben.
Das Familiengericht führt im Rahmen des Ehescheidungsverfahren den Versorgungsausgleich durch in dem es im Tenor des Scheidungsbeschlusses die beteiligten Rentenversicherungen und Versorgungswerke anweist, die Teilung der Anwartschaften durchzuführen. Diese Anweisung führen dann die Versicherungsgesellschaften untereinander durch.
Die Ehegatten müssen lediglich bei Stellung des Scheidungsantrages den Fragebogen V 10 ausfüllen. Den Rest erledigen das Gericht und die Versicherungen selbständig. Geteilt werden grundsätzlich alle Altersversorgungen, egal ob bei der deutschen Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgungen und auch private Altersversorgungen. Die Folgen des Versorgungsausgleiches bemerken die Ehegatten erstmals mit Erreichen der Regelaltersgrenze, konkret erhöht oder verringert sich der Rentenanspruch, je nachdem zu wessen Gunsten der Versorgungsausgleich durchgeführt wurde.
Wie jedoch so oft in der deutschen Rechtssprechung, gilt der Grundsatz: Aber keine Regel ohne Ausnahme. Folgende Ausnahmen sollten Sie kennen:
Kein Versorgungsausgleich bei Unterschreiten der Bagatellgrenze
Lediglich wenn die sogenannte Bagatellgrenze, die sich jedes Jahr ändert, nicht überschritten wird, wird der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt. Aber wann wird die Bagatellgrenze unterschritten? Gemäß § 18 I VersAusglG soll das Gericht gleichartige, beiderseitige Anrechte nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist oder auch dann nicht, wie sich aus § 18 II VersAusglG ergibt, wenn ein einzelnes Anrecht einen geringen Ausgleichswert hat.
Die Differenz der gleichartigen beiderseitigen Anrechte oder der Ausgleichswert ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit die Bagatellgrenze nicht überschreitet. Die Werte der Bagatellgrenze ändern sich jedes Jahr. Aktuell im Jahr 2023 entspricht die Bagatellgrenze bei einer monatlichen Rente 33,95 € (1 % der Bezugsgröße aus § 18 SGB IV) und bei einem Kapitalwert von 4.074,00 € (120 % der Bezugsgröße aus § 18 SGB IV). Wenn diese Werte nicht überschritten werden, wird der Versorgungsausgleich von Amts wegen nicht durchgeführt.
Keine Durchführung des Versorgungsausgleiches aufgrund einer notariellen Vereinbarung
Die Ehegatten haben die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich insgesamt oder aber nur in Teilen auszuschließen. Hierfür müssen sie entweder eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, einen Ehevertrag oder einen gerichtlichen Vergleich miteinander abschließen. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass bei beiden Ehegatten die Altersversorgung gesichert ist und nicht die Gefahr der Altersarmut droht. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn beide Ehegatten ausreichend verdienen und so für ihre eigene Altersversorgung Sorge tragen können. Wenn aber bei einem Ehegatten ehebedingte Nachteile vorliegen, kann ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich ohne Gegenleistung schnell sittenwidrig und damit unwirksam sein. Vor einer solchen Vereinbarung sollte daher dringend anwaltlicher Rat in Anspruch genommen werden.
Keine Durchführung des Versorgungsausgleiches bei Vorliegen einer Kurzehe
Kurzehen sind alle Ehen, die weniger als 3 Jahre (inklusive Trennungsjahr) dauerten. Waren Sie kürzer als 3 Jahre verheiratet, führt das Gericht den Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines Ehegatten aus. Stellt keiner der Ehegatten einen solchen Antrag, behält jeder Ehegatten bei einer Kurzehe seine Rentenanwartschaften und muss diese nicht teilen.
Keine Durchführung des (öffentlich- rechtlichen) Versorgungsausgleiches von ausländischen Versorgungen
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wird in der Regel der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleichs und nicht der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt. Dies hat zur Folge, dass ein deutsches Gericht keine ausländischen Versorgungen teilen kann, da ein deutsches Gericht im Ausland keine Hoheitsrechte hat. Da aber auch ausländische Versorgungen und Renten nach den Vorstellungen des deutschen Gesetzes zwischen den Ehegatten hälftig aufzuteilen sind, kann dies bei ausländischen Versorgungen nur im Rahmen des sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches geschehen.
Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich – Ein Exkurs
Dieser schuldrechtliche Versorgungsausgleich kann jedoch erst nach der Ehescheidung in die Wege geleitet werden und muss im Gegensatz zum öffentlich- rechtlichen Versorgungsausgleich vom Berechtigten beantragt werden. Folgende Voraussetzung muss dabei vorliegen:
Beide Ehegatten müssen entweder eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder eine Altersrente beziehen
Dies hat zur Folge, dass ein Pflichtiger auch noch Jahre, gar Jahrzehnte nach der Ehescheidung sich mit Ansprüchen des Ex-Gatten auseinandersetzen muss und damit rechnen muss, dass er oder sie eine monatliche Zahlung eventuell sogar lebenslänglich an den Ex-Partner zahlen muss. Falls der Berechtigte beim Familiengericht Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches stellt, wird das Familiengericht die für die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches notwendigen Daten ermitteln und den Ausgleichspflichtigen verpflichten, eine monatliche Ausgleichsrente an den Ausgleichsberechtigten zu zahlen.
Achtung: Oft wird die Geltendmachung der Ansprüche auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches von dem Anspruchsberechtigten/der Anspruchsberechtigten vergessen. Daher sollte man nach Rechtskraft der Ehescheidung den Scheidungsbeschluss genau prüfen, ob die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches vorbehalten wurde. Ist dies der Fall, sollte man sich irgendwo notieren, wann der Expartner in Rente geht und nochmals von einem Fachanwalt für Familienrecht prüfen lassen, welche Ansprüche hier noch bestehen.
Der Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches muss nicht zwingend durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin gestellt werden. Es herrscht für dieses Verfahren kein Anwaltszwang. Der Antrag kann somit formlos selbst bei Gericht gestellt werden und das Familiengericht wird dann über den Antrag entscheiden.
Welche Teilungsarten beim Versorgungsausgleich gibt es?
Wenn das Gericht die Versorgungsausgleichsauskünfte bei den jeweiligen Versicherungsträgern anfordert, geben diese in ihrer Auskunft immer an, ob die zu teilende Versorgung extern oder intern geteilt werden soll. Was bedeutet das? Der Grundsatz lautet, dass die jeweiligen Versorgungsansprüche im gleichen Versorgungssystem aufgeteilt werden. Diesen Vorgang nennt man interne Teilung.
Versorgungsausgleich – Interne Teilung
Die interne Teilung der Versorgungsansprüche ist zumindest bei der deutschen Rentenversicherung die Regel. Das bedeutet entweder werden die zu teilenden Versorgungsansprüche auf ein bereits bei dieser Versicherung vorhandenes Konto umgebucht oder aber, für den Fall, dass die ausgleichsberechtigte Person bei dieser Versicherung noch kein Rentenkonto hat, wird ein neues Rentenkonto angelegt und das zu übertragene Guthaben wird dann diesem neuen Konto gutgeschrieben und die berechtigte Person erhält dann mit Eintritt der Regelaltersgrenze oder aber einer anderen je nach Vertrag ausgestalteten Zeit eine monatliche Rente von diesem Versicherungsträger. Das Versicherungsunternehmen führt dann für beide Ehegatten zwei unabhängig voneinander bestehende Rentenkonten.
Vom System der internen Teilung gibt es eine Ausnahme, die sog. externe Teilung.
Versorgungsausgleich – Externe Teilung
Entscheidet sich ein Versicherungsunternehmen für eine externe Teilung der Versorgungsanwartschaften bedeutet dies nichts anderes, als dass das Versicherungsunternehmen den ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht als Kunden haben möchte und von diesem verlangt, dass er für die Übertragung der ihm zustehenden Versorgungsansprüche ein anderes Versicherungsunternehmen auswählt. Dieses andere Versicherungsunternehmen wird als Zielversorger bezeichnet. Es wird also gerade kein eigenes Anrecht bei dem ausgleichspflichtigen Versicherungsunternehmen begründet. Die externe Teilung ist die Ausnahme. Die ausgleichsberechtigte Person kann dabei wählen, auf welchen Versorgungsträger die Rentenanrechte übertragen werden sollen. Allerdings muss der Zielversorger so gewählt werden, dass sie eine lebenslange Altersversorgung sichert. Die Zielversorgung darf nicht übertragbar, beleihbar, veräußerbar und nicht vor dem 60. Lebensjahr verwertbar sein. Darüber hinaus muss sie insolvenzsicher und für den ausgleichspflichtigen Ehegatten steuerneutral sein. Werden die Anrechte in einen Pensionsfond, Pensionskasse, eine Direktversicherung, oder in Verträge eingezahlt, die dem Alterszertifizierungsgesetz entsprechen, erfüllen diese in der Regel die geforderten Voraussetzungen. Auch wenn die Wahl auf die deutsche Rentenversicherung fällt, wird es keine Einwände geben. Egal für welchen Versorgungsträger man sich entscheidet, man muss in jedem Fall die Genehmigung des ausgewählten Versorgungsträgers einholen.
Wählt der berechtigte Ehegatte keinen neuen oder bestehenden Versorgungsträger aus, werden die Anrechte automatisch auf das bestehende Rentenkonto bei der deutschen Rentenversicherung übertragen, es sei denn, es handelt sich um Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung („Betriebsrente). Für diesen Fall wurde extra die sog. Versorgungsausgleichskasse gegründet. In diese werden die zu übertragenden Betriebsrenten eingezahlt und der berechtigte Ehegatte erhält mit Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente aus der Versorgungsausgleichskasse.
Bei Beamten ist es immer so, dass zu teilende Pensionsansprüche auf das Rentenversicherungskonto des anderen bei der deutschen Rentenversicherung übertragen werden.
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Ihre Christina Spohr
Fachanwältin für Familienrecht
Kann man den Versorgungsausgleich nach Rechtskraft des Versorgungsausgleiches noch anpassen lassen?
In den folgenden Fällen kann bei dem Versicherungsträger ein Antrag gestellt werden, stellen, dass die Rente/Pension trotz Durchführung des Versorgungsausgleiches im Scheidungsbeschluss nicht gekürzt wird:
- a) wenn der geschiedene Ehegatte verstorben ist, ohne dass er oder seine Hinterbliebenen Leistungen aus den ihm mit Durchführung des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften bezogen hat
- b) wenn der geschiedene Ehegatte verstorben ist und er bis zu diesem Zeitpunkt weniger als drei Jahre Leistungen aus dem erworbenen Anrecht bezogen hat
- c) wenn der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch hätte, der nur deswegen entstanden ist, weil ihm aufgrund des Versorgungsausgleiches die Rente gekürzt wurde.
Wenn einer der v. g. Fälle vorliegt und die betroffene Person möchte die Kürzung verhindern, muss zwingend ein Antrag auf Anpassung des Versorgungsausgleiches gestellt werden. Dieser Antrag ist in der Regel bei der deutschen Rentenversicherung zu stellen.
Der Versorgungsausgleich ist eine sehr komplexe Materie, den andere Länder gar nicht kennen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich immer vor Renteneintritt die Versorgungsausgleichsentscheidung überprüfen zu lassen.