Welche Arten von Kündigungen durch den Arbeitgeber gibt es?
Im Arbeitsrecht wird zunächst zwischen der ordentlichen Kündigung und der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses differenziert. Einen Sonderfall stellt die sogenannte Änderungskündigung als milderes Mittel dar.
Ordentliche Kündigung
Möchte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen, muss er, sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist,
- eine vertragliche oder gesetzliche Frist einhalten
- und es muss ein anerkannter Kündigungsgrund vorliegen.
Außerordentliche Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung im Arbeitsrecht wird meist fristlos ausgesprochen. Sie soll das Arbeitsverhältnis sofort – ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – beenden. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist dann möglich, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien unwiederbringlich gestört ist. Es liegt regelmäßig ein schwerer Pflichtverstoß zugrunde. Es muss ein wichtiger Grund vorliegen, der es dem Arbeitgeber
- unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
- und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile
- unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
- oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen.
Die Pflichtverletzung muss so gravierend sein, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses alternativlos erscheint.
In Betracht kommt eine außerordentliche Kündigung auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis aus bestimmten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden kann. Tarifverträge enthalten oft entsprechende Regelungen, dass ab einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses oder einem bestimmten Alter des Arbeitnehmers eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. In diesem Fall wird eine Kündigung mit Auslauffrist auszusprechen sein. Hier ist regelmäßig mindestens die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten, da der unkündbare Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden soll als bei einer ordentlichen Kündigung.
Änderungskündigung
Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis; gleichzeitig unterbreitet er dem Arbeitnehmer ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen. Das Interesse des Arbeitgebers liegt hier nicht primär in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern in der Änderung vertraglicher Arbeitsbedingungen. Es liegt sodann an dem Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu veränderten Konditionen fortzusetzen und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Lehnt er das Änderungsangebot des Arbeitgebers ab, endet das Arbeitsverhältnis, sofern die Änderungskündigung wirksam ist.
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist immer das letzte Mittel; bestehen mildere Mittel, muss der Arbeitgeber diese ausschöpfen. Eine Änderungskündigung hat daher Vorrang vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ultima-Ratio-Prinzip). Besteht die Möglichkeit, den Arbeitnehmer zumutbar weiterzubeschäftigen, etwa auf einem anderen freien Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diesen regelmäßig anbieten. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber mit Sicherheit davon ausgehen darf, dass sein Angebot vom Arbeitnehmer abgelehnt wird.
Braucht der Arbeitgeber in einem Kleinbetrieb einen Kündigungsgrund?
Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Kündigungen im Arbeitsrecht dürfen nicht willkürlich sein. Der Arbeitgeber muss immer ein Mindestmaß an Rücksichtnahme erkennen lassen, so dass grundsätzlich Jede Kündigung eines Kündigungsgrundes bedarf. Dies gilt auch dann, wenn in einem Kleinbetrieb der besondere Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung findet. Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, sind die Anforderungen an die Kündigungsgründe jedoch sehr niedrig. Die Kündigung darf in einem Kleinbetrieb nur nicht willkürlich oder aus sachfremden Motiven erfolgen. Eine Abmahnung muss bei einer Kündigung im Kleinbetrieb regelmäßig nicht vor der Kündigung ausgesprochen werden, ebenso muss der Arbeitgeber keine Sozialauswahl durchführen. Ein Kleinbetrieb liegt nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 KSchG vor,
- wenn der Arbeitgeber in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt und die Arbeitsverhältnisse bereits vor dem 01.01.2003 bestanden haben,
- wenn der Arbeitgeber in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt und die Arbeitsverhältnisse erst nach dem 31.12.2003 begonnen haben.
In der Praxis kommt die 5-Arbeitnehmer-Grenze selten zum Tragen, so dass für die meisten Fälle festgehalten werden kann:
- Ein Kleinbetrieb liegt vor, wenn der Arbeitgeber nicht mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt.
Berechnet wird die Mitarbeiterzahl im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG wie folgt:
- Teilzeitkräfte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden werden mit 0,5 gewertet
- Teilzeitkräfte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 30 Stunden werden mit 0,75 gewertet
- Teilzeitkräfte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden werden mit 1,0 gewertet
- Auszubildende werden nicht berücksichtigt
Im Übrigen findet das Kündigungsschutzgesetz nur dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat (Wartefrist – § 1 Abs. 1 KSchG). Ist die Wartefrist nicht abgelaufen, gilt auch insoweit nur ein rudimentärer Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber hat insoweit zu beachten:
Kündigungsschutz für besondere Personengruppen
Auszubildende (nach der Probezeit), Schwerbehinderte, Schwangere, Mütter und Angehörige des Betriebsrates genießen unabhängig von der Größe des Betriebs besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber bei einer Kündigung auch im Kleinbetrieb entsprechende Voraussetzungen zu erfüllen, etwa die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes bei Schwerbehinderten.
Maßregelverbot nach § 612 a BGB
Ein Arbeitnehmer darf nicht dafür mit einer Kündigung bestraft werden, dass er berechtigte Ansprüche geltend macht oder unberechtigte Anweisungen nicht befolgt.
Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben – § 242 BGB
Die Kündigung darf nicht treuwidrig sein, d.h. der Arbeitgeber muss bei einer Kündigung ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen. So könnte treuwidrig sein: Der Arbeitgeber entlässt einen kurz vor der Altersrente stehenden Arbeitnehmer, der seit 40 Jahren beschäftigt ist und beschäftigt einen seit wenigen Wochen angestellten, ledigen 20-Jährigen weiter.
Hier müssen zumindest valide Gründe angeführt werden können, die die offensichtlich unverhältnismäßige „Sozialauswahl“ nachvollziehbar erscheinen lassen (z. B. zwingend erforderliche Zusatzqualifikation des jungen Mitarbeiters). Die Anforderungen dürfen auch hier nicht überspannt werden.
Sittenwidrigkeit
Eine Kündigung darf nicht allein auf sachfremden, verwerflichen Motiven gründen. Es ist bei jeder Kündigung ein sogenanntes „ethisches Minimum“ einzuhalten.
Verbot der Diskriminierung
Weiter darf auch eine Kündigung im Kleinbetrieb regelmäßig nicht aus Gründen erfolgen,
- die der Rasse,
- der ethnischen Herkunft,
- des Geschlechts,
- der Religion oder Weltanschauung,
- einer Behinderung,
- des Alters oder
- der sexuellen Identifikation zuzurechnen sind.
Welche Kündigungsfristen muss der Arbeitgeber im Arbeitsrecht beachten?
Ordentliche Kündigung
Kündigt der Arbeitgeber ordentlich, muss er die auf das Vertragsverhältnis anwendbare Kündigungsfrist beachten. Findet kein Tarifvertrag Anwendung und haben der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nichts anderes Vereinbart, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist – § 622 BGB.
In der Probezeit
Wurde eine Probezeit vereinbart, gilt gemäß § 622 Abs. 3 BGB eine Kündigungsfrist von zwei Wochen, sofern die Parteien keine andere Frist vereinbart haben.
Nach der Probezeit
Ist die Probezeit abgelaufen, hängt die gesetzliche Kündigungsfrist von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab:
- In den ersten zwei Jahren gilt eine Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats – 622 Abs. 1 BGB.
Besteht das Arbeitsverhältnis (§ 622 Abs. 2 BGB)
- mindestens zwei Jahre aber weniger als fünf Jahre, gilt ein Monat zum Ende eines Kalendermonats.
- fünf Jahre aber weniger als acht Jahre, gelten zwei Monate zum Kalendermonatsende.
- acht Jahre aber weniger als zehn Jahre, gelten drei Monate zum Kalendermonatsende.
- zehn Jahre aber weniger als zwölf Jahre, gelten vier Monate zum Kalendermonatsende.
- zwölf Jahre aber weniger als 15 Jahre, gelten fünf Monate zum Kalendermonatsende.
- 15 Jahre aber weniger als 20 Jahre, gelten sechs Monate zum Kalendermonatsende.
- 20 Jahre oder mehr, gelten sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Kann die gesetzliche Kündigungsfrist verkürzt werden?
Unter bestimmten Voraussetzungen können die gesetzlichen Kündigungsfristen verkürzt werden:
- In einem Tarifvertrag, soweit die Parteien tarifgebunden sind – § 622 Abs. 4 BGB.
- Einzelvertraglich, wenn der Arbeitnehmer zur Aushilfe eingestellt ist oder der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Berechnung der Arbeitnehmerzahl erfolgt wie bei der Feststellung eines Kleinbetriebs nach § 23 KSchG.
Welche Gründe können eine Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen?
Das Kündigungsschutzgesetz differenziert grundsätzlich drei Arten von Kündigungsgründen:
- Personenbedingte Kündigung
- Betriebsbedingte Kündigung
- Verhaltensbedingte Kündigung
Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie
- nicht durch Gründe, die in der Person (personenbedingt) oder in dem Verhalten (verhaltensbedingt) des Arbeitnehmers liegen,
- oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen (betriebsbedingt),
gerechtfertigt ist.
Personenbedingte Kündigung
Eine personenbedingte Kündigung liegt dann vor, wenn die Gründe für die Kündigung weder in einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers liegen noch aus dringender betrieblicher Erforderlichkeit herrühren. Der Arbeitnehmer muss aus Gründen, die in seiner Person oder seinen persönlichen Lebensumständen liegen, daran gehindert sein, die geschuldete Arbeitsleistung zukünftig zu erbringen. Insoweit hat der Arbeitgeber eine Prognoseentscheidung zu treffen, die negativ ausfallen muss. Eine negative Prognose allein ist jedoch nicht ausreichend, vielmehr
- müssen die betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers erheblich durch die Nichterbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung erheblich beeinträchtigt sein.
- darf keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen existieren (milderes Mittel).
- müssen die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung die Interessen des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen (Interessenabwägung).
Ein häufig anzutreffender Fall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung. Eine krankheitsbedingte Kündigung kann sowohl bei häufigen Kurzerkrankungen als auch bei einer langandauernden Erkrankung gerechtfertigt sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer in beiden Fällen nicht für das Fehlen in der Vergangenheit bestraft wird. Aus dem krankheitsbedingten Fehlen ist vielmehr eine Prognose in die Zukunft anzustellen, die weitere erhebliche Fehlzeiten erwarten lässt (negative Prognose).
Weitere Beispiele für einen personenbedingten Kündigungsgrund sind:
- dauerhaft unterdurchschnittliche Arbeitsleistung („Low-Performer„),
- Wegfall der persönlichen Eignung, etwa bei Verlust der Fahrerlaubnis, Arbeitserlaubnis etc.
- Begehung einer Straftat außerhalb des Arbeitsverhältnisses, welche die Eignung für den ausgeübten Beruf in Frage stellt (z. B. Betrug bei Bankangestellten, Sexualstraftat bei Erziehern)
Betriebsbedingte Kündigung
Eine betriebsbedingte Kündigung liegt dann vor, wenn die Kündigung nicht auf Gründe zurückzuführen ist, die auf die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, sondern auf dringende betriebliche Erfordernisse. Ein dringendes betriebliches Erfordernis kann außerbetrieblich (etwa extremer Auftragsrückgang) aber auch innerbetrieblich (etwa unternehmerisch begründete Umstrukturierung der Produktpalette) begründet sein. Denkbar und in der Praxis häufig sind Kombinationen betriebsinterner und betriebsexterner Gründe, etwa bei einer Betriebsschließung oder Betriebsstilllegung.
Der Arbeitgeber muss in diesem Fall eine unternehmerische Entscheidung treffen, deren Umsetzung im Ergebnis den konkreten Arbeitsplatzverlust bedingt. Die Kündigung selbst ist hierbei nicht die erforderliche unternehmerische Entscheidung, sondern die Folge derselben. Entsprechend muss die Entscheidung und Umsetzung zu einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs und damit des Arbeitsplatzes führen. Eine nur vorübergehende Maßnahme genügt nicht. Der Unternehmer muss
- die unternehmerische Entscheidung darlegen und beweisen und
- darlegen und beweisen, dass aufgrund dieser Entscheidung der Arbeitsplatz weggefallen ist,
- darlegen und beweisen, dass keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit existiert (milderes Mittel)
Sofern ein Betriebsrat existiert, ist dieser auch bei einer betriebsbedingten Kündigung zu beteiligen.
Liegen die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vor, muss der Arbeitgeber zusätzlich eine Sozialauswahl vornehmen, d. h. er darf nicht wahllos einen Arbeitnehmer herauspicken. Er muss in der Regel den am wenigsten schutzwürdigen Mitarbeiter kündigen, wobei er bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen hat:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Alter
- Unterhaltsverpflichtungen
- Schwerbehinderung
Darüber hinaus hat der Unternehmer auch bei einer betriebsbedingten Kündigung den besonderen Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen zu beachten, etwa:
- Schwerbehinderte,
- Beschäftigte in Elternzeit,
- Beschäftigte in Pflegezeit,
- Betriebsratsmitglied,
- Auszubildende.
- Frauen in Mutterschutz.
Verhaltensbedingte Kündigung
Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt dann vor, wenn der Grund der Kündigung aus einem steuerbaren Verhalten des Mitarbeiters resultiert. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter eine arbeitsvertragliche Pflichten verletzt und der Verstoß so gravieren ist, dass dem Unternehmer eine weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar ist. Liegt kein Verhalten vor, das der Arbeitnehmer steuern kann, scheidet eine verhaltensbedingte Kündigung aus. Hier kommt gegebenenfalls eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Im Einzelnen setzt eine verhaltensbedingte Kündigung voraus:
- erheblicher Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten
- der Mitarbeiter handelt hierbei rechtswidrig (z. B. nicht bei Notwehr) und schuldhaft (z. B. nicht bei vorliegender (unverschuldeter) Schuldunfähigkeit)
- es darf kein milderes Mittel existieren (Verhältnismäßigkeit der Kündigung) – in diesem Zusammenhang spielt vor allem die Abmahnung eine Rolle
- als letztes Korrektiv sind die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegenüberzustellen und abzuwägen (Interessenabwägung). Das Interesse des Unternehmers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss die Interessen des Arbeitnehmers an dessen Fortsetzung überwiegen.
Die Interessenabwägung spielt etwa bei Bagatelldiebstählen (so etwa im „Maultaschenfall“ – Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (9 Sa 75/09); ArbG Lörrach, Urteil vom 16.10.2009 – 4 Ca 248/09) eine entscheidende Rolle. In diesem extremen Fall kündigte des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg aufgrund einer durchgeführten Interessenabwägung an, die Kündigung als unwirksam zu beurteilen. Im Ergebnis einigten sich die Parteien. An dieser Stelle sei ausdrücklich erwähnt, dass auch Bagatelldiebstähle grundsätzlich geeignet sind, eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Die Interessenabwägung „rettet“ den Arbeitnehmer nur in Extremfällen (hier ging es um 6 Maultaschen, die der Arbeitgeber ohnehin entsorgt hätte!).
In der Praxis ist regelmäßig das folgende vertragswidrige Verhalten anzutreffen:
- Straftat zu Lasten des Arbeitgebers
- Arbeitszeitbetrug
- Körperverletzungen, sowohl zu Lasten des Chefs als auch zu Lasten von Arbeitskollegen
- Beleidigungen
- Zuspätkommen
- Arbeitsverweigerung
- Unentschuldigtes Fehlen
- Verspätetes Einreichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
- Verspätete Krankmeldung
- Privates Telefonieren während der Arbeitszeit
- Privates Internetsurfen während der Arbeitszeit
Die verhaltensbedingte Kündigung – Abmahnung und weitere Besonderheiten?
Im Gegensatz zur personenbedingten und betriebsbedingten Kündigung hat es der Mitarbeiter bei einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich selbst in der Hand, sich vertragsgemäß zu verhalten. Er führt die Kündigung durch eigenes Verhalten herbei, so dass er sich regelmäßig einen „Vorwurf“ gefallen lassen muss. Dies bedeutet nicht, dass dem Betroffenen stets bewusst ist, dass er eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt. Ist dem Mitarbeiter eine Verpflichtung unbekannt, hätte er sich informieren können und müssen. Unwissenheit schützt auch hier in der Regel nicht vor Strafe.
Muss vor der verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden?
Da die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Partei im Rahmen einer dauerhaften Zusammenarbeit irgendwann einmal vertragswidrig verhält, hoch ist, rechtfertigt nicht jedes vertragswidrige Verhalten eine verhaltensbedingte Kündigung.
- Der Mitarbeiter verschläft und kommt daher zu spät zu Arbeit.
- Der Mitarbeiter geht (vermeidbar) davon aus, dass er einer Anordnung des Vorgesetzten nicht Folge leisten muss.
- Der Mitarbeiter überzieht die Pause, weil er die Uhr aus den Augen verliert.
In allen genannten Fällen liegt unbestreitbar ein vertragswidriges Verhalten vor. Es wurde gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Dennoch wäre eine sofortige verhaltensbedingte Kündigung überzogen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (gegebenenfalls wiederholt) darauf hinweisen, dass er das Fehlverhalten nicht akzeptiert und er von dem Mitarbeiter zukünftig ein vertragstreues Verhalten erwartet. In Bagatellfällen bietet sich hier beim ersten Verstoß eine Ermahnung an: Im Übrigen ist die Abmahnung die adäquate erste Reaktion. Es handelt sich hierbei um ein milderes Mittel!
Zu beachten ist, dass die Abmahnung in den meisten Fällen eines steuerbaren Fehlverhaltens ausgesprochen werden muss, bevor das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt gekündigt werden kann. Das ist aber nicht immer der Fall: Handelt es sich um eine gravierende Pflichtverletzung, bei der der Mitarbeiter offensichtlich nicht darauf vertrauen darf, dass der Arbeitgeber sie auch nur einmal akzeptiert, ist eine Abmahnung regelmäßig entbehrlich. Genannt seien hier:
- Arbeitszeitbetrug,
- Spesenbetrug,
- Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers,
- Sexuelle Belästigung,
- Schwere Beleidigung von Vorgesetzten und Kollegen.
Auch wenn in diesen Fällen stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und Interessenabwägung durchzuführen ist, bewegt sich der verletzende Mitarbeiter auf sehr dünnem Eis.
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Ihr Giuseppe D’Antuono
Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht
Verhaltensbedingte Kündigung – immer fristlos oder doch mit Frist?
Auch bei einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung sind die gesetzlichen Kündigungsfristen einzuhalten, sofern im Arbeitsvertrag oder tariflich keine abweichenden Fristen geregelt sind. Insoweit wird auf Ziffer 3 – Welche Kündigungsfristen muss der Arbeitgeber im Arbeitsrecht beachten? – Bezug genommen.
Eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung ist daher nicht zwingend, auch wenn Unternehmer die Kündigung meist fristlos aussprechen. Tatsächlich ist eine verhaltensbedingt fristlose Kündigung nur dann wirksam, der Verstoß des Mitarbeiters so schwer wiegt, dass eine weitere Zusammenarbeit – auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – unzumutbar. Die Kündigung muss also nicht nur durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt sein, vielmehr muss jegliches Vertrauen zu dem Mitarbeiter zerstört worden sein. Dies mag bei einer schweren Straftat oder einer groben Beleidigung zu Lasten des Arbeitgebers der Fall sein, nicht jedoch bei wiederholtem Zuspätkommen trotz einschlägiger Abmahnung. In der Praxis werden die meisten verhaltensbedingten Kündigungen fristlos ausgesprochen, um sich dann im Kündigungsschutzprozess doch auf eine Beendigung unter Einhaltung der einschlägigen Kündigungsfrist zu einigen.
Droht Arbeitnehmern eine Sperrzeit bei einer verhaltensbedingten Kündigung?
Anlass dafür, dass die verhaltensbedingte Kündigung oft fristlos ausgesprochen wird, ist nicht zuletzt, dass der Arbeitgeber sich in eine gute Verhandlungsposition für das Kündigungsschutzverfahren bringt. Zunächst erhält der gekündigte Mitarbeiter ab Zugang der Kündigung (zumindest vorübergehend) kein Arbeitsentgelt mehr. Darüber hinaus droht ihm bei der verhaltensbedingten Kündigung eine Sperrzeit von zwölf Wochen in Bezug auf das Arbeitslosengeld. Hintergrund ist, dass der Mitarbeiter durch sein (vermeintlich) vertragswidriges Verhalten Anlass für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat – § 159 Abs. 1 SGB III. Da der Gekündigte auf das Arbeitslosengeld angewiesen ist, gibt er sich im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens oft damit zufrieden, dass die außerordentliche fristlose Kündigung in eine ordentliche fristgerechte Kündigung „umgewandelt“ wird.
Die Aussicht, dass die Agentur für Arbeit eine Sperrfrist verhängt, ist eine valide Motivation gegen die verhaltensbedingte Kündigung im Wege einer Kündigungsschutzklage vorzugehen. Tatsächlich lässt sich Sperre beim Arbeitslosengeld oft auch dann vermeiden, wenn die Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage zunächst gering erscheinen. Auch wenn in vermeintliche aussichtslosen Fällen vielleicht keine Abfindung verhandelt werden kann, kann sich die Verteidigung lohnen, zumal sich regelmäßig zumindest auch noch ein gutes Zeugnis verhandeln lässt.
Einzelheiten hierzu lesen Sie in unserem Artikel zur Kündigungsschutzklage.
Was ist der Unterschied zwischen einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung?
Die außerordentliche Kündigung wird oft mit der fristlosen Kündigung gleichgesetzt. Tatsächlich muss eine außerordentliche Kündigung nicht zwingend fristlos erfolgen, vielmehr kann auch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen werden.
Relevant wird dies etwa dann, wenn ein Mitarbeiter (z. B. tariflich) unkündbar ist. Auch in diesen Fällen muss der Unternehmer eine Möglichkeit haben, sich in Extremfällen, etwa bei einer dauerhaften Betriebsstilllegung, von dem Mitarbeiter zu trennen. Da eine ordentliche Kündigung (tarif- (vertraglich)) ausgeschlossen ist, kommt nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Wäre hier nur eine fristlose Kündigung möglich, würde der Arbeitnehmerschutz ad absurdum geführt. Die Unkündbarkeit soll den Mitarbeiter schützen und nicht eine Entlassung ohne Einhaltung der geltenden Kündigungsfristen ermöglichen. Andernfalls wäre der unkündbare Mitarbeiter schlechter gestellt als seine kündbaren Kollegen. Aus diesem Grund hat der Unternehmer auch bei dieser außerordentlichen Kündigung die (tarif-) vertraglich oder gesetzlich geltende Kündigungsfrist einzuhalten.
Darüber hinaus setzt eine außerordentliche fristlose Kündigung voraus, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn Tatsachen vorliegen,
- die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und
- unter Abwägung der Interessen Vertragsparteien
- eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar erscheinen lassen.
Folgerichtig ist die außerordentliche fristlose Kündigung fristgebunden auszusprechen. Es gilt eine Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen – § 626 Abs. 2 BGB. Dies ist konsequent, denn lässt sich der Arbeitgeber mit der Kündigung viel Zeit und beschäftigt er den Mitarbeiter weiter, spricht Einiges dafür, dass die Zusammenarbeit doch nicht unzumutbar ist.
Hier lässt sich festhalten: Eine fristlose Kündigung ist immer eine außerordentliche Kündigung, wohingegen eine außerordentliche Kündigung nicht immer fristlos erfolgen muss.
Auch wenn es sich im Regelfall bei einer außerordentlichen Kündigung um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt, ist dies nicht zwingend. In dem Beispiel des unkündbaren Arbeitnehmers handelt es sich etwa um eine betriebsbedingte Kündigung.