Verbraucherinsolvenz – Persönliche Voraussetzungen und Insolvenzgrund
Wer kann einen Verbraucherinsolvenzantrag stellen?
Das Verbraucherinsolvenzverfahren, umgangssprachlich auch Privatinsolvenz genannt, kommt grundsätzlich für natürliche Personen in Betracht,
- die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben;
- die zwar in der Vergangenheit eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben, diese zwischenzeitlich jedoch aufgegeben haben und gegen welche aus der ehemaligen Tätigkeit keine Verbindlichkeiten aus früheren oder gegenwärtigen Arbeitsverhältnissen bestehen und deren Vermögensverhältnisse gleichzeitig überschaubar sind.
Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners dann, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragsstellung weniger als 20 Gläubiger hat. Forderungen aus Arbeitsverhältnissen sind insbesondere Forderungen der Finanzverwaltung aus Lohnsteuer sowie Forderungen von Sozialversicherungsträgern für Beiträge von ehemaligen Mitarbeitern des Schuldners.
Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung.
Wann liegt ein Insolvenzgrund vor?
Die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens setzt das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes voraus. Entsprechend muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass er zahlungsunfähig ist oder aber die Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorsteht. Gemäß § 17 Abs. 2 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit dann vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Für das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit besteht dann eine gesetzliche Vermutung, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Die außergerichtliche Schuldenbereinigung
Liegt ein Eröffnungsgrund vor, so muss bei der Privatinsolvenz vor der Stellung des Insolvenzantrages beim zuständigen Insolvenzgericht zwingend eine außergerichtliche Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern versucht werden. Hierfür ist die Erstellung eines sog. Schuldenbereinigungsplans erforderlich. In Rahmen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens soll eine Einigung mit den Gläubigern angestrebt und dadurch die Durchführung des Insolvenzverfahrens verhindert werden.
Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch, so liegen die Voraussetzungen für die Stellung des Insolvenzantrages grundsätzlich vor. Von einem Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches ist bereits dann auszugehen, wenn ein Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan widerspricht oder aber während des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Zwangsvollstreckung betreibt.
Bei der Erstellung des Schuldenbereinigungsplans sowie der Durchführung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens unterstützen wir Sie gerne.
Der Insolvenzantrag
Konnte außergerichtlich keine Einigung mit den Gläubigern erzielt werden, so kann der Schuldner nunmehr einen Verbraucherinsolvenzantrag stellen. Der Insolvenzantrag ist unter Verwendung des amtlichen Vordruckes spätestens 6 Monate nach dem Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs schriftlich beim zuständigen Amtsgericht – Insolvenzgericht – zu stellen. Dem Antrag müssen folgende Unterlagen bzw. Erklärungen beigefügt werden:
- Die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs, welche nur von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern oder aber auch von anderen anerkannten Stellen, etwa Schuldnerberatungsstellen, ausgestellt werden kann;
- Die Erklärung, ob ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wird einschließlich der insoweit erforderlichen Abtretungserklärung, welche alle Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge umfasst,
- Die in dem amtlichen Vordruck enthaltenen Vermögens-, Gläubiger- und Forderungsverzeichnisse
- ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan.
Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren
Wurden die erforderlichen Unterlagen vollständig beim zuständigen Insolvenzgericht eingereicht, so überprüft dieses zunächst, ob die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens Erfolg verspricht. Bei dem Schuldenbereinigungsplan handelt es sich um einen vom Schuldner erarbeiteten Einigungsvorschlag, der unter Beteiligung des Gerichts den Gläubigern unterbreitet wird. Verspricht ein erneutet Einigungsversuch keinen Erfolg, so wird das Gericht von der Durchführung eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens absehen und das Insolvenzeröffnungsverfahren unverzüglich fortsetzen. Mit einem entsprechenden Vorgehen ist etwa dann zu rechnen, wenn der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan dem außergerichtlichen Einigungsvorschlag entspricht und dieser bereits von der Mehrheit der Gläubiger oder aber den Gläubigern mit den höchsten Forderungen abgelehnt wurde und der Schuldner zu einer Erhöhung seines Angebotes nicht im Stande ist. In diesem Fall wäre die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens eine reine Formalie.
Erscheint eine Einigung im Rahmen des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens dahingegen möglich, so wird dieses in die Wege geleitet. Das Gericht stellt den Gläubigern den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zu und fordert diese dazu auf, innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung zu erklären, ob dieser angenommen wird.
Haben alle Gläubiger dem Plan zugestimmt, so gilt dieser als angenommen. Haben dahingegen einzelne Gläubiger dem Plan nicht zugestimmt, so kann das Gericht auf Antrag des Schuldners die Zustimmung der ablehnenden Gläubiger ersetzen, falls die Kopf- und Summenmehrheit dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt haben. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zum außergerichtlichen Einigungsversuch, bei welchem die Gläubiger nicht zur Annahme des Angebots des Schuldners gezwungen werden kann. In beiden ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erforderlich, da zwischen dem Schuldner und den Gläubigern eine Einigung erzielt werden konnte.
Kommt der Schuldenbereinigungsplan nicht zustande, so wird das Insolvenzeröffnungsverfahren fortgesetzt und die Privatinsolvenz eröffnet.
Ablauf des Insolvenzverfahrens
Was passiert mit dem Vermögen des Schuldners?
Mit Eröffnung des Insolvenzantrages wird seitens des Gerichts ein Insolvenzverwalter bestimmt. Gleichzeitig verliert der Schuldner die Befugnis, sein pfändbares Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Diese Befugnis geht auf den Insolvenzverwalter über, der unter anderem die Insolvenzmasse in Besitz nimmt, verwertet und sodann den Erlös an die bestehenden Gläubiger, nach Abzug der Verfahrens- und Insolvenzverwalterkosten, verteilt.
In die Insolvenzmasse gehören grundsätzlich alle pfändbaren Vermögenswerte, so etwa Eigentumswohnungen, Schmuck, Bargeld, Bankguthaben, Versicherungen etc. Im Übrigen auch solche, die erst während des eröffneten Insolvenzverfahrens erworben werden (u. a. Erbschaften, Lottogewinne, Sparguthaben).
Auch das Auto ist Bestandteil der Insolvenzmasse und von dem Insolvenzverwalter zu verwerten. Eine Ausnahme besteht dann, wenn das Fahrzeug zur Ausübung einer Tätigkeit benötigt wird und dementsprechend unpfändbar ist. Dies gilt es in jedem Einzelfall zu prüfen und zu bewerten.
Regelmäßig stellt der Schuldner mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung, da andernfalls ein Erlass seiner bestehenden Schulden nicht in Betracht kommt. Hat der Schuldner einen entsprechenden Antrag gestellt, insbesondere auch die zwingend erforderliche Abtretung seiner pfändbaren Einkommensanteile erklärt, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Gläubiger, ob dem Schuldner die Restschuldbefreiung gewährt werden kann. Wird dies seitens des Gerichts bejaht, so wird die Restschuldbefreiung zunächst angekündigt.
Nach der Verwertung der in die Insolvenzmasse fallenden Vermögenswerte ist das zusammengetragene Vermögen, nach Abzug der Gerichts- und Verfahrenskosten, an die Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben und deren Forderungen geprüft und festgestellt wurden, zu verteilen.
Es findet ein Schlusstermin statt und das Insolvenzverfahren wird aufgehoben.
Was bleibt während der Insolvenz zum Leben?
Der unpfändbare Anteil des Einkommens (Existenzminimum) muss dem Schuldner auch während des Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen. Das Existenzminimum berechnet sich nach der Pfändungstabelle, wobei sich die Höhe der Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen nach der Anzahl der Unterhaltsverpflichtungen bestimmt. So beläuft sich nach der im Mai 2022 geltenden Tabelle der Pfändungsfreibetrag eines Schuldners, der gegenüber zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet ist (z. B. Ehegatte und ein Kind), auf netto 1.989,99 Euro. Erst ab einem Nettoeinkommen von monatlich 1.990,00 Euro hat der Schuldner mithin einen Anteil seines Arbeitseinkommens an den Insolvenzverwalter abzuführen, wobei die Berechnung und Überweisung – wie bei einer Pfändung des Arbeitseinkommens auch – regelmäßig direkt über den Arbeitgeber erfolgt.
Zum 01.07.2022 ist eine Anpassung der Pfändungsfreigrenzen zu erwarten, so dass dem Schuldner voraussichtlich noch mehr von seinem Arbeitseinkommen verbleiben wird.
Die Wohlverhaltensphase
Was bleibt während der Wohlverhaltensphase zum Leben?
Nach dem Aufhebungsbeschluss des Gerichts befindet sich der Schuldner in der so genannten Wohlverhaltensperiode, welche bis zum Ablauf von drei Jahren ab dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dauert. Der Insolvenzverwalter wird nun zum Treuhänder. Während dieser Zeit tritt der Schuldner seine pfändbaren Einkommensbestandteile zu Gunsten der Gläubiger an diese ab, wobei die Auszahlung an die Gläubiger grundsätzlich über den Treuhänder erfolgt.
Sobald der Schuldner sich in der Wohlverhaltensperiode befindet, muss er nur noch den pfändbaren Anteil seines Erwerbseinkommens zur Befriedigung der Gläubiger einsetzen. Erwirbt der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode Vermögen, so steht dieses – im Gegensatz zum Erwerb während des Insolvenzverfahrens – dem Schuldner selbst und nicht etwa den Gläubigern zu.
Eine Ausnahme gilt etwa für Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt; dieses hat er zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, hat er sogar zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben.
Schuldenfrei in 3 Jahren?
Spätestens nach Ablauf von 3 Jahren endet die Wohlverhaltensperiode. Nunmehr stehen die Einkünfte ausschließlich dem Schuldner zu. Die Abtretung entfaltet keine Wirksamkeit mehr. Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode erteilt das Gericht, nach Anhörung der Gläubiger, des Treuhänders und des Schuldners, grundsätzlich die Restschuldbefreiung, es sei denn, es liegen Versagungsgründe vor. Auf Antrag eines Gläubiger kann die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn der Schuldner einen Obliegenheitsverstoß begangen hat und der Gläubiger den Antrag stellt. Eine solche Obliegenheitsverletzung kann etwa vorliegen, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung
- keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und sich auch nicht um eine solche bemüht bzw. eine ihm zumutbare Tätigkeit ablehnt,
- den Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle nicht unverzüglich gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzeigt,
- Einkünfte verheimlicht, welche von der abgegebenen Abtretungserklärung erfasst sind,
- den gegenüber dem Treuhänder und dem Gericht bestehenden Auskunftspflichten nicht nachkommt oder
- durch Zahlungen an einzelne Gläubiger eine Benachteiligung der weiteren Gläubiger herbeiführt.
Die Restschuldbefreiung kann u.a. auch dann versagt werden bzw. ein entsprechender Antrag kann unzulässig sein, wenn dem Schuldner
- in den letzten elf Jahren bereits Restschuldbefreiung erteilt worden ist oder
- wenn ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 InsO versagt worden ist oder
- er wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt wurde.
Wirklich schuldenfrei in 3 Jahren?
Die rechtskräftige Erteilung der Restschuldbefreiung führt grundsätzlich dazu, dass der Schuldner die bestehenden Forderungen der Gläubiger nicht mehr erfüllen muss. Im Ergebnis ist der Schuldner somit schuldenfrei. Die Restschuldbefreiung gilt auch gegenüber Gläubigern, die ihre Forderung nicht angemeldet haben, selbst wenn diese überhaupt keine Kenntnis vom Insolvenzverfahren hatten. Nach spätestens 3 Jahren kann der Schuldner also Schuldenfreiheit erlangen.
Von der Restschuldbefreiung sind allerdings folgende Forderungen nicht umfasst:
- Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe des besagten Rechtsgrundes zur Insolvenztabelle angemeldet hat;
- Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
- Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.
Dementsprechend muss die Feststellung „Schuldenfrei in 3 Jahren“ unter Vorbehalt getroffen werden.
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Ihr Giuseppe D’Antuono
Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht
Was kostet die Privatinsolvenz?
Erfahrungsgemäß verursacht ein Privatinsolvenzverfahren Kosten in Höhe von etwa 1.500,00 Euro. Umfasst sind hiervon die Gerichtskosten sowie die Kosten des Insolvenzverwalters und Treuhänders. Allerdings müssen Sie diese Kosten grundsätzlich nicht bei Antragstellung aufbringen bzw. vorschießen. Es besteht die Möglichkeit, eine Verfahrenskostenstundung für jeden einzelnen Verfahrensabschnitt, nämlich das Insolvenzeröffnungsverfahren, das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren und das Insolvenzverfahren im eigentlichen Sinne zu beantragen. Voraussetzung für einen entsprechenden Antrag ist, dass der Schuldner die Verfahrenskosten nicht aus seinem Vermögen aufbringen kann, was im Falle einer Verbraucherinsolvenz den Regelfall darstellt.
Bei den Verfahrenskosten handelt es sich im Übrigen um Massekosten, welche grundsätzlich zunächst aus der Insolvenzmasse zu begleichen sind. Während der Wohlverhaltensperiode werden die Kosten aus dem pfändbaren Einkommensanteil bedient. Sollten nach Beendigung der Wohlverhaltensperiode und Erteilung der Restschuldbefreiung die Kosten noch nicht vollständig ausgeglichen worden sein, so sind die Kosten nach den Regelungen über die Prozesskostenhilfe zurückzuzahlen. Der Schuldner hat demnach noch 4 Jahre lang Zahlungen entsprechend seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen auf die Kosten zu leisten. Ist er zur Zahlung nicht im Stande, so werden ihm die Kosten 4 Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung erlassen.
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